Nach einer langen Zugfahrt mit einem Eurocity (EC) sind wir am Montag den 2. September in Warschau angekommen. Nachdem die Zimmer bezogen wurden, gab es einen Imbiss und wir starteten zu unserem ersten Programmpunkt, einer Stadtführung durch das kommunistische Polen. Die kundige Fremdenführerin begeisterte die Reisenden mit Anekdoten aus der Zeit vor 1989 und erklärte Beweggründe und Gedanken, welche sich die polnische Regierung beim Wiederaufbau Warschaus nach dem 2. Weltkrieg gemacht hat.
Am Dienstag starteten wir nach einem guten Frühstück zu einer NGO. Der Referent Filip Pazderski zeigte Einblicke in ihre Arbeit und brachte uns Umfragen und Statistiken zu Meinungen von Polen und Osteuropäern nahe. Nachmittags hatten wir den Auftrag, polnische Bürger in der Öffentlichkeit anzusprechen und sie zu den politischen Themen Umwelt, Rassismus und Feminismus zu befragen. Spannende Erkenntnisse haben wir in Einzelgesprächen gewonnen. Die Polen sind ein sehr stolzes Volk, und sprechen sehr ungerne mit Fremden in der Öffentlichkeit über Politik. Bei dem Thema Umwelt traf man noch auf aufgeschlossene Diskussionen, während bei den anderen beiden Schwerpunkten nur wenige Menschen mit uns offen sprechen wollten. Viele erkannten ein Rassismusproblem an, würden es aber wohl nicht öffentlich zugeben. Wenn das Gespräch dann auf Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau gelenkt wurde, wurde der Einfluss der konservativen katholischen Kirche deutlich. Allgemein schien das Thema nicht als großes Problem angesehen zu werden. Abends ging unser Programm weiter: wir trafen den Journalisten Przemyslaw Witkowski, der vor einigen Monaten zu trauriger Berühmtheit gelangt ist (https://m.faz.net/…/nach-angriffen-in-bialystok-solidaritae…). Hier wurden uns bei spannenden Diskussionen erschreckende Einblicke in die polizeilichen Strukturen und die extreme politische Rechte Polens gewährt.
Am Mittwoch stand alles im Zeichen der Umwelt. Zunächst waren wir im Sonatorium, einer großen Grünfläche in Warschau auf der viel Urban Gardening betrieben wird und finnische Holzhäuser in Gemeinschaftsbesitz unterhalten werden. Hier durften wir mit einem Aktivisten, der sich für einen polnischen Wald einsetzt, sprechen. Dieser Wald ist vergleichbar mit unserem Hambacher Forst in NRW. Anschließend gab es noch einen allgemeinen Vortrag über den Zustand und die Bedeutung der Wälder weltweit.
Nach dem Mittagessen trafen wir uns mit Aktivisten von Extension Rebellion und Youth for Climate, der polnischen Variante von Friday for Future.
Danach unterstützen wir die polnischen Umweltaktivisten und Aktivistinnen bei einer Social Media Aktion, bei welcher ein Baum beerdig wurde. Bei diesem Treffen wollte die polnischen Umweltaktivisten und Aktivistinnen auf, die ihrer Meinung nach unnötige und umweltschädliche Abholzung von Jahrhunderte alten Bäumen in Polen aufmerksam machen. Diese Art mit dem Thema umzugehen kam uns fremd vor. Die Einblicke in die Umweltscene waren jedoch ziemlich interessant!
Der vorletzte Tag unserer Reise hatte es noch einmal in sich. Vormittags besuchten wir zunächst den Garten der Universität und bereiteten uns auf dem Besuch bei der Heinrich Böll Stiftung Warschau vor. Der nachfolgende Besuch war höchst interessant und leider zeitlich etwas zu kurz. Thematisiert wurden vor allem die demokratischen Strukturen und der Einfluss der katholischen Kirche in Polen. Daraufhin haben wir das Museum zum Warschauer Aufstand 1944 besichtigt. Ein Museumsführer beschrieb uns eindrucksvoll die Ereignisse. Ziemlich sprachlos und mit gedämpfter Stimmung verließen wir nach knapp 2 Stunden wieder das Museum.
Der Abend war dann gefüllt mit einer Diskussionsrunde zusammen mit den beiden Organisatorinnen des CSD Warschau und einer Feministin, welche sich besonders für bessere sexuelle Aufklärungsarbeit der polnischen Jugend einsetzt. Es war ein eindrucksvoller Tag am Ende einer anstrengenden Woche. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern bis wir die Masse an Erlebnissen und Informationen sortiert und verarbeitet haben.
Am Freitag wurde das Hostel aufgeräumt und die restlichen Lebensmittel verteilt. Nach einer Feedbackrunde und einem letzten Spaziergang durch die Altstadt, ging es mit dem Zug über Berlin wieder zurück in die Heimat.
Es war eine spannende Woche, welche unfassbare Einblicke in das polnische Leben ermöglichte. Gerne wären wir noch ein paar Tage länger geblieben. Wir sind dankbar für die Erfahrung und freuen uns, tolle Menschen kennen gelernt zu haben. Ein Dank geht auch an unsere beiden Guides Jens und Maya!